Mobilfunk-Branche zwischen Zukunftstechnik und rauem Alltag

By on 24. Februar 2017

Barcelona – Die Mobilfunk-Branche schwärmt schon jetzt von den künftigen superschnellen 5G-Datennetzen. Einen HD-Film soll man dann in weniger als einer Sekunde herunterladen können, die Reaktionszeiten sollen so kurz sein, dass sich sogar ein Auto per Funk steuern ließe.

Die Vision von einer Welt, in der Daten jederzeit ungehindert fließen können, wird auch den anstehenden größten Branchentreff
Mobile World Congress in Barcelona (27. Februar bis 2. März) beherrschen. Doch bis diese Zukunft eintrifft, werden noch Jahre vergehen – und die Industrie steckt tief in Alltags-Problemen.

Smartphones sind zwar nach wie vor ein Bestseller: Allein im vergangenen Jahr wurden weltweit 1,5 Milliarden Computer-Handys verkauft. Doch unter den Geräteherstellern sichert sich Apple mit seinem hochprofitablen iPhone fast die gesamten Gewinne der Branche, obwohl der Konzern einen Marktanteil unter 20 Prozent hat. In der Masse der Anbieter von Telefonen mit dem Google-System Android verdient noch Marktführer Samsung gutes Geld – die vielen anderen Hersteller stecken in den roten Zahlen fest oder müssen sich mit schmalen Profiten zufriedengeben.

Dennoch werden die Unternehmen die Messe in Barcelona wieder nutzen, um ein Neuheiten-Feuerwerk zu zünden. Allen voran die chinesischen Anbieter, die inzwischen die führenden Plätze in den Ranglisten nach Samsung und Apple besetzen. So wird vom Netzausrüster und Smartphone-Anbieter Huawei das neue Top-Modell P10 erwartet und vom Konkurrenten ZTE das «Gigabit Phone», das schon für anstehende schnellere Datennetze gerüstet sein soll – unter anderem zur Übertragung von Video in hoher Qualität. Die im Westen weitgehend unbekannte Marke OPPO, die mit dem Erfolg in China aber unter die vier größten Smartphone-Anbieter weltweit vorgestoßen ist, will in Barcelona mit innovativer Kamera-Technik von sich reden machen.

Auch große Namen aus der Vergangenheit, die inzwischen an Glanz verloren haben, wollen den diesjährigen Mobile World Congress für Comeback-Versuche nutzen. So ist mit neuen Telefonen unter der Marke Nokia zu rechnen, auch wenn sie inzwischen nicht von dem einstigen Handy-Marktführer selbst, sondern von der finnischen Firma HMD Global entwickelt werden. Im Januar war bereits das Smartphone Nokia 6 angekündigt worden, zunächst nur für China.

Vom Handy-Pionier Motorola, der zum weltgrößten PC-Hersteller Lenovo aus China gehört, werden die Mittelklasse-Smartphones G5 und G5 Plus erwartet. Lenovo räumte bereits ein, dass die Integration des von Google übernommenen Motorola zäher als gedacht gestaltete. Blackberry dürfte mehr über das «Mercury»-Smartphone erzählen, sein erstes Modell, das komplett beim chinesischen Hersteller TCL entworfen und gebaut wird. Das Gerät läuft mit Android, nach jüngsten Zahlen liegt der Marktanteil von Blackberrys eigenem Betriebssystem inzwischen bei Null.

Samsung nutzte die Messe in den vergangenen Jahren stets, um die neuen Versionen seines Flaggschiff-Modells Galaxy S zu präsentieren. Diesmal kündigte der Marktführer jedoch nach dem Batterie-Debakel beim Galaxy Note 7 an, er werde sich mehr Zeit nehmen. Ein Samsung-Event gibt es zwar trotzdem, aber davon wird eher ein neues Tablet-Modell erwartet. Nach jüngsten Gerüchten könnte das Galaxy S8 im April in den Handel kommen und Ende März präsentiert werden.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg verzichtet diesmal auf eine Reise nach Barcelona. In den vergangenen Jahren versuchte er dort wiederholt, die Bosse der Netzbetreiber für sein Projekt Internet.org zu gewinnen, mit günstigen Internet-Verbindungen Milliarden neue Nutzer ins Netz bringen soll. Doch die Mobilfunk-Anbieter blieben skeptisch.

Sie haben ohnehin ein schwieriges Verhältnis zu Facebook und klagen in Barcelona Jahr für Jahr über einen ungleichen Wettbewerb mit Online-Diensten, für die nicht die strikten Regulierungsvorgaben der Telekom-Branche gälten. So ersetzten WhatsApp, iMessage & Co. die SMS, der stetig steigende Videofluss bei YouTube und Facebook lastet die Netze aus. Die Internet-Dienste kontern, ihre Beliebtheit gibt den Telekom-Firmen erst die Möglichkeit, den Nutzern teure Daten-Tarife zu verkaufen.

Zugleich kommt auf die Netzbetreiber ein neues Risiko zu: Ihre heutigen SIM-Karten, die man ins Telefon reinstecken muss, gelten als Auslaufmodell und dürften in wenigen Jahren einer fest verbauten eSIM weichen, die man auf verschiedene Anbieter umprogrammieren kann. «Die Handy-Hersteller hätten das lieber heute als morgen, weil es Platz spart – das Wertvollste, was es für Geräte-Hersteller derzeit gibt», sagt Branchenexperte Olaf Acker, Partner bei PwC Strategy&. Die Netzbetreiber fürchteten sich davor, weil sie sich immer noch nicht sicher seien, ob das nicht ihr Kerngeschäft gefährden werde.

«Wenn in dem Gerät eine SIM steckt, die nur mit relativ großem Aufwand zu wechseln ist, bin ich als Mobilfunk-Anbieter in meiner Vertragsbeziehung einigermaßen geschützt. Und das nicht nur durch den Ein- oder Zweijahresvertrag, sondern auch dadurch, dass der Nutzer keine Lust hat, dauernd die SIMs zu wechseln», argumentiert Acker. «Wenn die eSIM das vereinfacht, wächst das Risiko des Wechselns.»

Fotocredits: Toni Albir
(dpa)

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