Vom Lagerfeuer zum Monitor: Erfolg von Horrorspielen

By on 8. August 2016

Berlin (dpa/tmn) –
«Nesfate» hat ein Problem mit ihrem Job als Nachtwächterin in einer Pizzeria. Denn die mechanischen Fabelwesen, die dort tagsüber Kinder amüsieren, erwachen nachts zum Leben und machen Jagd auf Menschen.

Und jetzt hat «Nesfate» die bösen Roboter auf ihren Überwachungskameras aus den Augen verloren. Jeden Moment könnte sich eins der Monster anschleichen. Zum Glück erlebt die Nachtwächterin das nicht wirklich, es handelt sich um eine Szene aus dem Computerspiel «Five Nights at Freddy’s». Und zum Glück ist sie auch nicht allein. Denn «Nesfate» ist eine Let’s-Playerin, die Videos ihrer virtuellen Gruselabenteuer ins Netz stellt. Und da ist sie nicht die einzige: Horror- und Survivalspiele, jahrelang praktisch abgemeldet, feiern gerade ein kleines Comeback.

Aber warum gibt man sich den Horror? «Gruseln in einer kontrollierten Umgebung ist eine alte Kulturtechnik», sagt Niels Boehnke von der Stiftung Digitale Spielekultur. «Im Grunde haben Horrorspiele eine ähnliche Funktion wie das Erzählen von Gruselgeschichten am Lagerfeuer oder wie die Nachtwanderung im Ferienlager.»

Nicht jeder Gruseltitel ist jedoch gleich, so der Experte. «Es gibt einmal die reinen Horrorspiele, bei denen Spannung oder Ekel im Mittelpunkt stehen», sagt Boehnke. «Und dann die Survivalspiele, bei denen strategisches Handeln im Vordergrund steht.» Wie groß die Unterschiede sind, beweisen Download-Plattformen wie Steam.

Dort gibt es zum Beispiel klassische Gruselspiele wie «Layers of Fear» von Aspyr, das den Spieler ganz altmodisch durch ein verfluchtes Anwesen schickt. Ähnlich funktionieren die schon etwas älteren Titel «Amnesia» (Frictional Games) und «Outlast» (Red Barrels). In allen drei Titeln schleicht der Spieler meistens alleine durch dunkle Gänge. Kämpfe mit Monstern gibt es gar nicht. Wird der Spieler entdeckt, kann er nur weglaufen und sich verstecken.

Ähnlich wehrlos ist der Spieler in «Alien: Isolation» (Sega), der gruseligen Videospiel-Variante der gleichnamigen Filmserie. Und auch «Until Dawn» (Sony) ist offensichtlich von Hollywood inspiriert – hier aber eher mit Teenie-Slasher-Filmen wie «Scream» als Vorbild.

Und dann gibt es noch Horror-Survivalspiele, die bei Steam und Co. regelmäßig auf den vorderen Plätzen landen. Als Ursprung des Genres gilt «DayZ» (Bohemia Interactive), in dem der Spieler sich in einer feindlichen Umgebung nicht nur mit Zombies, sondern auch mit anderen, meist feindlichen Spielern auseinandersetzen muss. «Ark» (Studio Wildcard) und «Rust» (Facepunch Studios) funktionieren ganz ähnlich. Der Horror dient hier nur noch als Hintergrund, wichtiger ist das Sammeln von Ressourcen und das Überleben von Tag zu Tag.

Und das sind längst nicht die einzigen neuen Horrorspiele. Gerade auf dem PC gibt es unzählige vor Angst und Schrecken sprühende Indie-Titel. Darunter sind auch «Five Nights at Freddy’s», «Slender» und andere Titel, die vor allem als Let’s-Play oder Livestream Erfolge feiern. Vor allem Jüngere spielen solche Titel oft gar nicht selbst, sondern schauen anderen zu. «Man erlebt nicht nur das Spiel, sondern fiebert auch mit dem Spieler mit», erklärt Boehnke.

Jugendschützerin Kristin Langer hat auch noch eine andere Erklärung dafür, dass viele Jugendliche bei Horrorspielen lieber zuschauen als selber zocken. «Das schafft eine zusätzliche Rückzugsebene», sagt die Expertin der Initiative
«Schau hin!». So müssen sich Jugendliche nicht zu sehr fürchten, können aber trotzdem mitreden. «Für Jugendliche sind Horrorspiele oft ein Test, fast eine Art Mutprobe», so Langer. «Sie wollen dann für sich selbst oder in der Peer Group herausfinden, was sie aushalten.»

Manchen Jugendlichen machen solche Spiele aber auch dann nichts aus, wenn sie direkt beteiligt sind. «12- bis 16-Jährige können solche Inszenierungen möglicherweise aushalten», sagt Langer. «Mit etwa 10 Jahren entwickelt man die Fähigkeit, sozusagen ein inneres Gerüst, mit Reizen durch Gewalt oder Bedrohung umzugehen.»

Vielleicht können Jugendliche aus dem Spiel sogar etwas ins Leben mitnehmen, weil sie etwa für das Wohlergehen der Spielfigur sorgen müssen. «Für Jugendliche kann das ein Experimentierfeld sein, wie sie mit so einer Verantwortung umgehen», sagt Langer. Gleichzeitig sammelten Heranwachsende in solchen Spielen Erfahrungen: «Das geht von Mutproben und Umgang mit Furcht bis hin zu Leben und Tod, Sexualität oder Maßstäben für Schönheit und Hässlichkeit. Das sind Themen, die in Horrormedien häufig vorkommen.»

Als Eltern Freigaben und Konsum im Blick behalten
Wie das einzelne Spiel wirkt, ist aber immer von den Details abhängig – darunter der Realitätsgrad und die Alltagsnähe. Viele Horrortitel sind zum Beispiel erst ab 16 oder 18 Jahren freigegeben, selbst wenn darin gar nicht so viel Blut fließt. Grund dafür ist dann zum Beispiel, dass die Inszenierung besonders dicht und ohne jede Atempause daherkommt.

Virtueller Horror muss Jugendliche nicht zwingend beeinträchtigen, gerade als Lets-Play oder Stream. «Aber es gilt natürlich, die Altersfreigaben und den Konsum im Auge zu behalten», so Langer. «Und zu schauen, dass Jugendliche sich nicht ausschließlich in dieser Spielewelt verlieren.







Fotocredits: Studio Wildcard,Red Barrels,Sony,Sega,Bohemia Interactive,Caroline Seidel,Aspyr

(dpa)