WWW: Drei Buchstaben, die die Welt veränderten

By on 10. November 2016

Berlin – Kaum eine Innovation hat die Gesellschaft so rasant und drastisch verändert: Von Information und Kommunikation über Beruf und Bildung bis hin zu unserem Shopping- und Datingverhalten – das World Wide Web hat sämtliche Bereiche des Lebens umgekrempelt.

Am 6. August 1991, also vor gerade einmal 25 Jahren, wurde in der Schweiz die
erste Webseite der Welt öffentlich gemacht. Zwei Jahre später wurde das Internet massenkompatibel. Dass das Netz so ist, wie wir es in der heutigen Form kennen, ist maßgeblich einem Mann zu verdanken.

Ein Rückblick: Der britische Physiker Tim Berners-Lee, damals am Europäischen Kernforschungszentrum
(CERN) bei Genf beschäftigt, wollte das dortige Informationschaos eindämmen. Im März 1989 schlug er seinem Arbeitgeber ein Projekt auf Basis des Hypertexts vor, um den Datenaustausch zwischen den Forschern weltweit zu vereinfachen. Unterstützung bekam er von seinem Kollegen Robert Cailliau. Weihnachten 1990 legte Berners-Lee mit info.cern.ch den ersten Web-Server der Welt an. Am 6. August 1991 machte der damals 36-Jährige die erste Webseite im Internet öffentlich.

«Das war ein technischer Meilenstein», sagt Informatiker
Werner Zorn, der als Gründungsvater des deutschen Internets gilt und 1984 an der Universität Karlsruhe die erste deutsche Internet E-Mail empfing. «Die Idee dahinter war die Verbindung von Apples Hypertext mit der Internet-Technologie auf der Netzebene», erklärt er. Denn das Internet, also die Netzwerk-Infrastruktur, gab es schon einige Jahre. Nach der E-Mail wurde nun mit dem World Wide Web ein weiterer Dienst geschaffen, der das Internet quasi zum Leben erweckte.

Im Wesentlichen basiert Berners-Lees Entwicklung auf drei Kernpunkten: Zum einen entwickelte er die «Hypertext Markup Language» (HTML), die beschreibt, wie Seiten mit Hypertextverknüpfungen («Links») auf unterschiedlichsten Rechnerplattformen formatiert werden. Mit dem «Hypertext Transfer Protocol» (HTTP) definierte er den technischen Kanal, den Computer benützen würden, um über das Internet zu kommunizieren. Der «Universal Resource Identifier» (URI), heute ist die Unterform «Uniform Resource Locator» (URL) geläufiger, bezeichnet die Webadresse, mit der Inhalte im Netz gefunden werden.

Einen wichtigen formalen Schritt machte das CERN 1993, als das Institut das World Wide Web für die Öffentlichkeit freigab und ganz bewusst auf Lizenzzahlungen und Patentierung verzichtete. Damit trugen die Forscher maßgeblich zur Bedeutung des Webs in seiner heutigen Form bei. «Die freie Verfügbarkeit war natürlich der Erfolgsfaktor schlechthin», sagt Internet-Pionier Zorn.

Den Durchbruch des WWW für Nicht-Computerspezialisten gelang dann 1993 Marc Andreessen. Der Student entwickelte an der University of Illinois den ersten Mosaic-Browser und machte sich später mit Netscape daran, seine Software zur führenden Online Plattform zu machen. Microsoft-Gründer Bill Gates zog mit seinem Explorer nach und zettelte den «Browser-Krieg» an, in dem Netscape dann auf der Strecke blieb.

Das Web wuchs rasant und brachte viele Tech-Milliardäre hervor: 1995 gingen mit Yahoo, Ebay und Amazon gleich drei spätere Internet-Riesen an den Start. 1998 folgte Google, sechs Jahre später gründete der damalige Harvard Student Mark Zuckerberg Facebook.

Ein Meilenstein in der Geschichte Internets setzte Netflix-Chef Reed Hastings mit seiner Strategie, den Versand von DVDs und Blu-ray-Scheiben durch einen Video-Streamingdienst Schritt für Schritt abzulösen. Im Februar 2007 startete der Onlinedienst in den USA, seit September 2014 gibt es Nexflix auch in Deutschland, Österreich und in der Schweiz. Inzwischen hat Netflix 83,2 Millionen Kunden und ist nun fast auf der ganzen Welt verfügbar, bis auf China und Länder wie Nordkorea.

In Nordamerika waren 2015 rund 37 Prozent des gesamten Internet-Verkehrs auf Netflix zurückzuführen, was die technische Infrastuktur der Netze vor ganz neue Herausforderungen stellt. Zählt man alle Streaming- und Download-Dienste wie YouTube, iTunes, Amazon Video und BitTorrent zusammen, gehen sogar knapp zwei Drittel der Bandbreite für Video- und Musikdienste drauf.

Noch größer als der unendliche Bedarf nach Breitbandverbindungen hat das mobile Internet das Web verändert: 2007 präsentierte Apple-Chef Steve Jobs das erste iPhone, ein Jahr später kam das erste Smartphone mit der Google-Software Android auf den Markt.

Das mobile Internet wurde massenkompatibel und Millionen von Apps drängen das Surfen über einen Browser zunehmend zurück. Heute stehen Begriffe wie das Internet der Dinge oder Industrie 4.0 für eine immer vernetztere Gesellschaft, die aber nicht unbedingt auf das WWW angewiesen ist.

Weltweit sind noch immer Milliarden Menschen ohne Internetzugang. In Europa gehört das Netz und damit auch das Web dagegen längst zum Alltag: Laut Branchenverband Bitkom gehen drei von vier EU-Bürgern (76 Prozent) zwischen 16 und 74 Jahren mindestens einmal pro Woche online. In Deutschland sind es 84 Prozent, in Island sind es sogar 97 Prozent.

Und Berners-Lee selbst? Der Vater des Web ging 1994 nach Boston um am Massachusetts Institute of Technology (MIT) das World Wide Web Consortium (W3C) zu gründen. 2004 wurde der Brite von der Queen zum Ritter geschlagen. 2012 nahm er im Rahmen der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in London die Würdigung als Erfinder des World Wide Web entgegen. Nach wie vor setzt sich der 61-Jährige für ein freies Internet und den Netzzugang für alle Menschen ein.

Im Gegensatz zu Internet-Stars wie Zuckerberg, Gates oder Jobs ist Berners-Lee in der breiten Öffentlichkeit bis heute relativ unbekannt – trotz seiner Verdienste. Ihn selbst scheint das nicht zu stören. «Prominent zu sein, zerstört das Privatleben», sagte er einmal.

Fotocredits: Daniel Reinhardt
(dpa)

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